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Können Hunde Krebs erschnüffeln?
Dass Hunde über eine besonders gute Nase verfügen, ist allgemein bekannt. Ein Schäferhund hat bspw. beeindruckende 220 Millionen Riechzellen – ein Mensch hingegen besitzt nur fünf Millionen. Außerdem nimmt das Riechhirn bei einem Hund 10 % des Gehirns ein, bei einem Menschen ist es nur 1 %. Dass Hunde aber auch Krebszellen erschnüffeln könnten, ist eine gewagte These, die sowohl Fürsprecher als auch Gegner hat.
Erste Erkenntnisse
In den vergangenen Jahren gab es verschiedene Medienberichte und Studien, die darauf hinwiesen, dass Hunde in der Lage sind, Krebszellen zu erschnüffeln. So gab es zum Beispiel Versuche, ob Hunde Lungenkrebs anhand der ausgestoßenen Atemluft erschnüffeln können. Sie schienen dabei Prostata- und Darmkrebs in frühem Stadium zu erkennen. Trotz der Annahme vieler Wissenschaftler, dass Tumore geruchsneutral sind, scheint es einen für Hunde wahrnehmbaren Faktor zu geben.
Eigener Verein zur Ausbildung von Hunden und Hundeführern
Auch in Wien gibt es einen Fürsprecher der These: Der Verein zur Ausbildung von Gebrauchs-, Forschungs- und Suchhunden (V.G.F.S.) wurde von Wolfgang Gleichweit gegründet. Er hat 2003 in Florida erste Erfahrungen mit dem Erschnüffeln von Krebszellen durch Hunde gesammelt. Seitdem bildet er Hunde sowie Hundeführer auf diesem Gebiet aus. Bei der Methode werden vier Faktoren berücksichtigt: Atemluft, Schleim, Urin und Blutserum. Laut Gleichweit gibt es eine 90-prozentige Trefferquote, er ist vom Erfolg seines Modells überzeugt.
100-prozentige Erfolgsquote in Paris
Ein Test am Pariser Curie-Institut ergab sogar eine 100-prozentige Treffsicherheit bei der Erkennung von Brustkrebs. Dabei beschnupperten zwei Schäferhunde 120 Mullbinden, von denen 31 von Krebspatientinnen getragen worden waren. Beim ersten Durchgang erkannten die Hunde 28 Proben als krebszellenbelastet, beim zweiten Durchgang alle 31. Die Verantwortlichen gaben an, dass es aus ihrer Sicht durchaus möglich sei, dass in Zukunft neben Leichen- und Drogenspürhunden auch Krebserkennungshunde ausgebildet werden könnten. Außerdem könnten die Hunde Krebszellen in einem sehr frühen Stadium erkennen, in dem sie von Medizinern kaum nachgewiesen werden können.
Nicht zuverlässig genug?
Kritik an dieser These gibt es jedoch aus vielen Richtungen. So zum Beispiel von Peter Errhalt, Leiter der Pneumologie am Uniklinikum Krems: Er gibt an, dass in einer ersten Testreihe Hunde zwar tatsächlich Krebs riechen konnten, dies allerdings nur in einer bestimmten Versuchsanordnung. Bei einer zweiten Testreihe waren die Ergebnisse leider nicht mehr repräsentativ, eine Trefferquote von 70 % sei, gerade als Vorsorgeuntersuchung für zehntausende Risikopatienten, ungeeignet.
„Lungenkrebs-Screening“-Studie soll klare Ergebnisse liefern
Um die These zugunsten der Hunde zu bestätigen, führt die Innovations-Stiftung U. Sauer (ISUS) in München aktuell eine wissenschaftliche „Lungenkrebs-Screening“-Studie durch. Ziel der Studie ist es, festzustellen, ob speziell ausgebildete Hunde die Atemproben von Lungenkrebspatienten von denen von gesunden Personen bzw. von Personen mit gutartigen Lungenerkrankungen unterscheiden können. Zusätzlich kommt eine „elektronische Nase“ (eNose) zum Einsatz, die typische flüchtige tumorassoziierte Markerprofile in den Atemproben feststellt. Falls die Ergebnisse der Hunde oder der eNose eindeutig sind, soll ein (zertifiziertes) Screening-Verfahren zur Detektion von Tumorproben entwickelt werden. Dies könnte einen Durchbruch in der Krebsforschung bedeuten. Bisher wurde anhand von 157 Atemproben gezeigt, dass die Treffsicherheit der Hunde bei 50–100 % lag. Die Quote wurde durch verschiedene Faktoren beeinflusst: Die Art der Konditionierung durch die Hundetrainer, das verwendete Trägermaterial, die Befriedigung des Spieltriebs während der Schnüffelarbeit und die Gelassenheit der Hundeführer spielten eine Rolle. Ebenso stellte sich gegen Ende der Tests ein Lerneffekt und somit eine höhere Trefferquote ein. Dagegen machten die Hunderasse oder die Ausbildung der teilnehmenden Hunde keinen Unterschied.
Heidrun-Seibert-Stiftung lässt auf Durchbruch hoffen
Die von Thomas Riemann-Seibert gegründete Stiftung regte die bislang größte Studie Europas zum Thema Krebszellenerschnüffelung durch Hunde an. In Zusammenarbeit mit Ärzten des Klinikums Darmstadt, dem Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg und fast 500 Teilnehmern wurden zwei Hunden Proben vorgelegt. Dabei identifizierte „Tumorproben“ wurden vom Krebsforschungszentrum in Heidelberg massenspektroskopisch untersucht, um herauszufinden, welche Verbindungen im Urin und in der Atemluft den Hunden Aufschluss auf eine Krebserkrankung geben könnten. Aus den isolierten Molekülen soll in weiterer Folge eine künstliche Tumorprobe hergestellt werden. Wissenschaftlich bewiesen ist, dass aus einem krankhaften Tumorstoffwechsel bestimmte Schwefel- und Azetatverbindungen entstehen. Wenn die Hunde acht bis zehn Moleküle identifizierten, könnte ein Gerät zur Krebsfrüherkennung entwickelt werden. Ähnlich eines Alkoholtests, wie ihn die Polizei verwendet, könnten Patienten beim Arzt künftig „blasen“, um die Atemluft auf Krebszellen testen zu lassen. Das Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim hat bereits vor kurzem einen Frühtest für Lungenkrebs auf der Basis der Erkennung von Erbgutmolekülen in der Atemluft entwickelt. Durch die Studie der Heidrun-Seibert-Stiftung sollen jedoch nicht nur Lungenkrebs, sondern auch andere Krebsarten identifiziert werden können. Im Moment können andere Krebsarten wie zum Beispiel Brustkrebs nur im Rahmen von Screenings diagnostiziert werden.
Fazit
Obwohl die Ergebnisse bisher noch nicht repräsentativ sind, ist es eine für die Krebsforschung relevante Erkenntnis, dass es Krebsmarker im Atem und eventuell auch anderen Trägermedien wie der Haut zu geben scheint. Forscher versuchen daher nun, diese Marker mit Atemluft-Analysegeräten nachzuweisen, auch die deutsche Bundesanstalt für Materialforschung führt derzeit eine große interdisziplinäre Studie durch. Dieses Wissen könnte für die Frühdiagnose von Krebs eingesetzt werden. Ein Atemtest wäre außerdem ein schonenderes Verfahren für Patienten als die aktuell angewandte Gewebeentnahme. Die Zukunft wird zeigen, ob Hunde auch in der Lage sind, andere Krankheiten zu erschnüffeln. Die Vorteile für die Gesundheitsvorsorge liegen auf der Hand.