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Der hässlichste Hund der Welt – nur die innere Schönheit zählt
Martha hat es gut. Trotz riesiger Hautlappen, Gleichgewichtstörungen und blutunterlaufenen Augen hat sie einen Award gewonnen – den des hässlichsten Hundes der Welt. Damit tritt sie mit ihren 56 Kilogramm sabbernd in die kleinen Fußstapfen des Vorjahressiegers Sweepee Rambo, einem blinden Chihuahua. Vorgänger waren Quasimodo, ein buckliger Mischling, und Peanut, eine Promenadenmischung ohne Lippe und Augenlider. Martha ist ein Mastino Napoletano, die Rasse wurde besonders durch den Hund „Fang“ aus der Harry-Potter-Reihe bekannt. Der diesjährige Award ging an die Bulldogge Zsa Zsa, die jedoch leider bereits drei Wochen nach der Verleihung friedlich einschlief.
Der Bewerb „World’s Ugliest Dog“, der im kalifornischen Petaluma stattfand, will „den Geist und die Imperfektion“ der Tiere feiern, deren innere Werte wichtiger sind als das äußere Erscheinungsbild. Daran könnten sich viele Menschen ein Beispiel nehmen. Auch Martha hat ein großes Herz: Sie ist Rettungshündin und Teil einer Hundestaffel. Ihre „Hässlichkeit“ brachte ihrem Besitzer nun 1.500 Dollar Preisgeld und eine 1,60 Meter hohe Trophäe ein.
Nicht jeder sieht die innere Schönheit
Leider gibt es auch in der Hundewelt die Schattenseite der Medaille, die sich der oberflächlichen Schönheit verschrieben hat: Bei der „Westminster Kennel Club Dog Show“ in New York wurde Flynn, ein Bichon Frisé, aus 3.000 Teilnehmern zum schönsten Hund der Welt gekürt. Bei dieser Großveranstaltung für reinrassige Hunde werden die Vierbeiner nach Rassen unterteilt. Am Ende wird der Schönste ausgesucht, der diese Olympischen Spiele der Hunde für sich entscheidet.
Wurzeln in der Antike
Dass der Schönheitswahn auch vor der Hundewelt nicht Halt macht, ist kein neues Phänomen, die Anfänge gehen bis ins alte Rom zurück. Der römische Agronom Columbella beschrieb in seinem Werk „De Re Rustica“ (Über die Landwirtschaft), wie vierzig Tage alten Welpen die Rute abgeschnitten wurde, um sie vor Tollwut zu schützen. Man war der absurden Ansicht, dass Tollwut durch Würmer hervorgerufen wurde. Die Sehnen, die beim Abtrennen der Rute zu sehen waren, sahen aus wie Würmer. Mit diesem Irrglauben war der Grundstein für das Kupieren von Millionen von Welpen in den darauffolgenden Jahrhunderten gelegt. Des Weiteren beschreibt er, dass Jagdhunden vorsorglich die Ohrmuscheln kupiert wurden. Dadurch wollte man verhindern, dass ihnen bei Ohrverletzungen während der Jagd das Blut in die Augen läuft und ihre Sicht beeinträchtigt. Das Kupieren kann bei Hunden zu Phantomschmerzen, chronischen Gesundheitsschäden wie Knotenbildungen, negativen Auswirkungen auf die Sozialisierung und anderen Verhaltensstörungen führen.
Zum Glück haben sich die Zeiten geändert: Die FCI (Fédération Cynologique International), der größte Dachverband zum Thema Hunderassen und Züchtung, strich 2010 sämtliche Rassenstandards, die das Kupieren von Hunden erfordern, aus den FCI- Formulierungen. In Deutschland ist das Kupieren von Hunden, die nachweislich zur Jagd eingesetzt werden, noch erlaubt. In Österreich und der Schweiz herrscht generelles Kupierverbot, bei Verstoß muss mit sehr hohen Geld- und auch Freiheitsstrafen gerechnet werden.
Überzüchtung als Gesundheitsrisiko
Besonders problematisch wird es, wenn die Ideale der Züchter nicht nur – wie im Falle von Martha – zu Hässlichkeit, sondern zu gesundheitlichen Problemen führen. Optische Wunschvorstellungen sollten bei der Hundezüchtung nie in Konkurrenz zu Funktionalität und Gesundheit treten.
Dass das in der Realität leider mitunter ganz anders aussieht, erläutert Caen Elegans auf seinem Blog „Dogs and Science“. Dort vergleicht der Hundeexperte unsere heutigen Hunderassen mit Bildern aus dem Bildband „Dogs of all nations“ aus dem Jahre 1915. Er zeigt damit ganz deutlich, welche verheerenden Folgen übertriebene Zucht auf die Gesundheit mancher Hunderassen hat. Am schlechtesten kommt die Bulldogge weg: Sie bekommt durch die flach gezüchtete Nase schlecht Luft und die Hautfalte über der Schnauze entzündet sich leicht. Der Gipfel: Meist können die Tiere nur durch Kaiserschnitt das Licht der Welt erblicken, weil die überzüchteten Köpfe einfach zu breit für den Geburtskanal der Weibchen sind.
Die sogenannte Qualzucht ist in Österreich laut § 5 Abs. 2 des Tierschutzgesetzes verboten. Sie umfasst Züchtungen, „die für das Tier oder dessen Nachkommen mit starken Schmerzen, Leiden, Schäden oder mit schwerer Angst verbunden sind.“ Strafbar sind Zucht, Import, Erwerb, Weitergabe und Ausstellung qualgezüchteter Tiere. Leider ist die Gesetzeslage nicht in jedem Land so streng. Wenn Hunde mit durch Qualzucht ausgelösten gesundheitlichen Problemen nicht mehr an Rasseschauen teilnehmen dürften, sähe die Zuchtlandschaft sicher bald anders aus.
Bei Hunden gibt es immer wieder Rassentrends, die durch Filme oder die Werbung in Gang gesetzt werden. Als Beispiele können hier Collies („Lassie“-Syndrom), Dalmatiner oder West Highland White Terrier („Cesar“) genannt werden. Die Züchter dieser Rassen reagieren auf solche Trends, da mit der Nachfrage auch die Preise steigen. Darum wird dann, vor allem im Ausland, ohne Rücksicht auf gesundheitsrelevante Selektionskriterien gezüchtet. Dass der günstige Zuchtwelpe aus dem Ausland nur in der Anschaffung günstig ist, und aufgrund von Überzüchtung astronomische Tierarztrechnung die Langzeitfolge sind, wird dabei von manchem Schnäppchenjäger nicht bedacht.
Fazit
Ob hässlich oder schön, liegt ohnehin im Auge des Betrachters. Die Gesundheit und Zufriedenheit des Tieres sollten jedoch bei jedem Hundebesitzer an erster Stelle stehen. Es werden wohl noch einige Jahre vergehen, bis sich dieser Grundgedanke auch bei den Züchtern durchgesetzt hat. Wir sagen: Macht den ersten Schritt, und gebt auch benachteiligten, kranken, hässlichen Hunden und Mischlingen eine Chance, euer bester Freund zu werden!