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Grundgehorsamkeit bei Hunden – ein Interview mit Andreas Gomsi
In der Tierwelt ist die autoritäre Erziehung mittlerweile genau so „last season“ wie bei der Kindererziehung. Dennoch gibt es ein paar Grundbefehle, die der Hund befolgen sollte, da sich der Alltag sonst eher schwierig gestaltet. Wir sprachen mit Andreas Gomsi von der Hundeschule „Martin Rütter DOGS Graz“ über Begrifflichkeiten und Erziehungsmethoden und konnten ihm ein paar Expertentipps entlocken.
dogtales: Andreas, wenn man sich eure Philosophie ansieht, sticht ins Auge, dass „bei uns vor allem die Menschen lernen“ – wie ist das zu verstehen?
Andreas Gomsi: Die Hundeerziehung hat sich stark gewandelt in den letzten Jahren, auch hier gibt es Trends. Sie hinkt der Kindererziehung allerdings 20 bis 30 Jahre hinterher: Bei der Hundeerziehung hat man mit der autoritären Erziehung erst vor einigen Jahren aufgehört (z. B. mit dem Einsatz von Stachelhalsbändern). Heutzutage wird bei der Hundeerziehung mehr Rücksicht auf die Bedürfnisse der Hunde genommen. Wichtig ist mir, dass nicht Symptombekämpfung betrieben wird, sondern dass man im Zuge des Trainings die Ursachen für Probleme herausfindet und an der Wurzel packt, um Probleme in den Griff zu bekommen.
dogtales: Wie stehst du zu Hundebesitzern, die sagen, sie brauchen mit ihrem Vierbeiner keine Hundeschule besuchen?
Andreas Gomsi: Es ist in Ordnung, wenn man glaubt, man braucht das nicht – wenn´s denn stimmt. Es gibt so unproblematische Hunde, da ist es wirklich nicht notwendig. Die Frage ist immer: Welchen Anspruch habe ich, was erwarte ich von meinem Hund? Problematisch wird es, wenn sie vermenschlicht werden, oder es kleine Hunde sind, die keinen Leidensdruck verursachen – ob ein Chihuahua an der Leine zieht, ist für den Besitzer mehr oder weniger egal, aber der Hund ist in seinem Wesen trotzdem irrsinnig gestresst und leidet. Dann ist der Besuch einer Hundeschule zum Wohl des Besitzers und des Hundes.
dogtales: In welchem Hundealter kann man mit der Hundeschule anfangen?
Andreas Gomsi: Man sollte schon eine Beratung aufsuchen, bevor man einen Hund aussucht, sonst kann es leicht passieren, dass der falsche Mensch zum falschen Hund kommt. Das Ergebnis ist dann Überforderung auf beiden Seiten. Außerdem sollte jeder eine vernünftige Welpenschule besuchen, und – je nachdem, wie das läuft – kann man dann einen Junghundekurs besuchen.
dogtales: Welche Grundbefehle sind deiner Meinung nach die wichtigsten?
Andreas Gomsi: Als erstes ist es mir wichtig, solche Begrifflichkeiten wie „Grundbefehle“ oder „Abrichtplatz“ zu vermeiden – wir nennen das „Signale“ und „Trainingsplatz“, damit kommt auch mehr raus, dass es eine Gemeinsamkeit zwischen Hund und Herrchen sein soll. Zum Thema Grundsignale kommt es immer darauf an, was man von seinem Hund möchte. Wenn er immer und überall dabei ist, dann ist das Gesamtpaket wichtig: Leinenführigkeit, Rückruf, Bleiben, an der Leine gehen. Es geht einfach um die Mensch-Hunde-Teams. Wenn es da ein Beziehungsproblem gibt, steht das über dem Leinenführigkeitsproblem. Das kann zum Beispiel sein, dass der Hund zu wenig beschäftigt und ausgelastet ist. Die Basis zwischen Mensch und Tier muss stimmen.
dogtales: Wenn man die Erziehung bei einem Welpen versäumt hat, oder den Hund erst ausgewachsen bekommt – gibt es noch eine Chance, das nachzuholen?
Andreas Gomsi: Das kommt ganz darauf an, wie motiviert der Hund ist. Wir unterscheiden vier Motivationsarten: die territoriale, soziale, sexuelle und die Jagdmotivation. Als erstes muss man herausfinden, welche Motivation am stärksten ausgeprägt ist. Zieht er an der Leine, weil er jeden Baum anpinkeln will? Dann muss man ihn aufmerksamer machen und davon ablenken – erst wenn er die Territorialität verliert, kommt das eigentliche Thema. Dann kann man zum Beispiel auch ein Anti-Jagd-Training besuchen.
dogtales: Benutzt du Hilfsmittel wie Pfeifen? Was hältst du von Belohnung als Hilfsmittel?
Andreas Gomsi: Der Satz, den ich wohl am öftesten sage ist: je nach Hund und Mensch. Das ist wirklich ganz individuell. Wenn ich ein fittes Team vor mir habe, aktive Hunde und Menschen mit Ahnung, dann kann man mit Pfeifen und Schleppleinen arbeiten. Bei einer älteren Dame mit Arthrose gilt eher das Motto „as simple as possible“. Ob man mit Leckerlis oder Spielzeug arbeitet, hängt davon ab, was dem Hund gefällt, und auch, was der Besitzer möchte. Zum Beispiel, wenn man das Signal „Bleib“ trainieren will, und der Hund ohnehin eher aufgedreht ist, sollte man vorher kein Zieh-und-Zerr-Spiel machen, sondern eher etwas beruhigendes.
dogtales: Wie oft muss man trainieren?
Andreas Gomsi: Auch das ist schwer pauschalierbar. Bei cleveren Hunden ist es ja auch so, dass wenn sie merken, sie haben gerade keinen Vorteil davon, dem Signal nachzugehen, dann machen sie es nicht. Also wenn er merkt, ich habe gerade keine Leckerlis dabei, dann macht er es eben nicht, wenn er clever ist. Ansonsten kann man zur Häufigkeit nur sagen: bis es der Hund generalisiert hat.
dogtales: Über welche Distanz soll der Hund auf die Signale reagieren?
Andreas Gomsi: Auch das ist je nach Rasse ganz unterschiedlich. Bei einem Retriever aus der Arbeitslinie kann ich schon davon ausgehen, dass er auf 350 m Entfernung bleibt, wenn ich ihm das zurufe. Jagdhunde sind sowieso für größere Distanzen geeignet und arbeiten selbstständig, ebenso wie Hütehunde. Aber für den Alltag ist es ohnehin so, dass der Hund nicht mehr als 20 bis 30 Meter von mir weggehen sollte, auch nicht im Freilauf.
dogtales: Wie schätzt du allgemein deine Position als Hundetrainer ein?
Andreas Gomsi: Ich denke, das ist eine sehr verantwortungsvolle Position, weil die Besitzer sich auf uns verlassen. Man will schließlich, dass die Erfahrung für Hund und Mensch positiv ist.
dogtales: Hast du zum Abschluss noch Spezialtipps, wie man Hunden Signale am besten beibringt?
Andreas Gomsi: Das Wichtigste ist, die richtige Motivation für den Hund zu finden, dann kann man darauf aufbauen. Außerdem, dass das Mensch-Hunde-Team Spaß hat. Deswegen funktionieren Übungen in der Hundeschule meist sehr gut, weil da ist es für den Hund ein Spiel, und die Menschen sind aufmerksam. Die Herausforderung ist, das in den Alltag mitzunehmen. Du solltest als Mensch bei jedem Spaziergang aufmerksam sein und für deinen Hund spannend bleiben, weil wenn du abgelenkt bist, dann merkt das der Hund natürlich auch. Außerdem muss man an der Basis mit dem Hund generell arbeiten. Kleinigkeiten müssen zuerst geklärt werden, zum Beispiel dass der Besuch nicht angesprungen wird, sonst kann man nichts Utopisches erwarten.
Andreas Gomsi hat die zweijährige Ausbildung bei Martin Rütter in Bonn absolviert. Schnell wurde nach seinem Abschluss die Nachfrage so groß, dass er das Hundetraining hauptberuflich betreiben und so seine Leidenschaft zum Beruf machen konnte. Er ist mit Hunden aufgewachsen und lebt momentan mit drei Hunden und zwei Katzen in der Nähe von Graz. Wer mehr über die Hundeschule „Martin Rütter DOGS Graz“ erfahren will, findet hier Informationen: https://www.martinruetter.com/graz